Ich bin komplett auf die Brücke umgezogen. Wände ohne Sicht nach draußen werden mehr und mehr zu einer Quelle der Traurigkeit. Nicht, das ich überhaupt irgendwo ein Fenster hätte; der Panoramaschirm auf der Brücke bietet mir aber eine perfekte Illusion davon. Während der Bauarbeiten überlegte ich, ob ich Löcher in die Außenhülle brennen und mir statt dessen Weltraumfenster einbauen sollte. Ich entschied mich aber dagegen, als ich feststellte, dass dem Frachter gleich zwei Hüllen verpasst wurden. Das genauere Studium seines Logbuchs und einige Rückfragen bei der Herstellerwerft, brachte dann ans Tageslicht, dass man ihn ursprünglich als Sicherheits- und Gefahrguttransporter konzipiert hatte. Ihn umgibt eine Schicht aus Unobtanium, die umso widerstandsfähiger wird, je härter oder heißer der ihn treffende Gegenstand ist. Man muss schon mit Plasmakanonen anrücken und mehrere Stunden auf dieselbe Stelle feuern, um ernsthaften Schaden anzurichten, normaler Laserbeschuss wird gähnend hingenommen.
Aus diesem Grund durfte ich übrigens die Fracht des Prinzen überhaupt erst übernehmen. Er rümpfte zwar die Nase über mich Mädchen, war von meinen Frachter aber schwer begeistert. Und als er dann noch meine Bewaffnung sah, war der Deal perfekt.
Wenn man das Schiff von außen betrachtet, kommt man nicht auf solch einen Gedanken. Ich schätze, man hatte es mehr als einmal durch ein Asteroidenfeld gejagt. Völlig vermackt, verkratzt, mit Dellen übersät und alles von einer klebrigen, rußigen Schicht überzogen. Es gab aus ungeklärten Gründen einen Brand; neben der Inneneinrichtung war die gesamte Bordelektronik verschmort, die Lebenserhaltung unbrauchbar und der Schwertkraftgenerator geschmolzen. Der Serverraum war zur Hälfte in Mitleidenschaft gezogen, der Hangar samt original Shuttle aber unversehrt. Den Ring und seine Peripherie hatte es ebenfalls verschont, wohl auch deshalb, weil er sich hinter dem Laderaum befindet. Den Laderaum kann man während des Flugs öffnen und das tat die Crew dann wohl auch, um das Feuer zu löschen, bevor sie spurlos verschwand. Gerettet hat sie jedenfalls niemand; ein Patrouillenschiff der „Space Guard“ fand den Trümmer schließlich am äußersten Ende des ersten kartographierten Sektors in der Galaxie Esa-Tin-Es und schleppte ihn zurück in bewohntes Gebiet, wo sich Brunodahl, unser Werftbesitzer des ausgebrannten Dings annahm und ihn spaßeshalber zuerst ins Netz stellte, bevor er ihn recyceln wollte. Immerhin waren Schiffskörper und Antrieb noch in Ordnung, manchmal fanden sich ja Bastler. So auch dieses mal.
Ich hatte tatsächlich probiert, das 750m lange, 200 m breite und 80m hohe Trumm, dass aussieht, wie ein platt getretener Wurm, mit Stachel vorne dran, zu waschen. Gab diesen Versuch aber nach ca. einem geputzten Quadratmeter wieder auf. Die Sauerei war einfach zu groß. Was soll´s, dachte ich mir, ist er eben mattschwarz.
Dass heißt, eigentlich ist „er“ ja eine „sie“. Ubalda, ich gab dem Schiff den Namen meiner Großmutter, diejenige, welche mich mit dem Weltraumvirus angesteckt hatte. Sie war immer zu ängstlich gewesen, um in eine „Mördermaschine“ wie sie es nannte, zu steigen. „Aber du Kindchen, du musst das tun. Für mich. Und wenn du wiederkommst, erzählst du mir alle Wunder, die du gesehen hast.“ Meine Mutter fand das reichlich unpassend, sie wollte lieber sehen, das ich eine Beamtenlaufbahn einschlug, eine Familie gründete und mir einen Platz im „Great Heaven“ sicherte; einer Wohnanlage, die alles toppte, was man bis dato zum Thema „Wohnqualität“ erfunden hatte. „Wohnen wie im Urlaub! Und jeden Tag woanders!“ Dabei war es nur die Illusion, von „woanders“. Man konnte sich Klima und die Sicht nach „draußen“ aussuchen, war dabei aber völlig abgeschirmt innerhalb einer Sphäre. Man konnte die Sicht auch so lassen, wie sie war, dann aber blickte man auf lauter weiße Kugeln, die wild übereinander gestapelt waren und mit tausenden Röhren verbunden.
Natürlich, ich lebe auch in einer abgeschirmten Sphäre und gucke auf schwarz, statt auf weiß. Aber ich BEWEGE mich tatsächlich. Und wenn ich den Wurmlochgenerator nicht verloren hätte, könnte ich wirklich heute hier und morgen da sein. Nicht nur an verschiedenen Orten auf einem Planeten, sondern auf verschiedenen Planeten. Mir persönlich sieht das nach einer vernünftigeren Alternative aus. Mein Vater war zum Glück derselben Meinung und unterstütze mich also, wo er nur konnte. Mama gab dann irgendwann nach. Als sie sah, wie glücklich ich war, wenn ich von einer Einheit Unterricht auf der Raumstation zurückkam, erwähnte sie die Wohnmurmeln nie wieder.
So, jetzt werde ich mir noch irgendeinen Film ansehen und dann die Lichter löschen.
Falls ich denn überhaupt schlafen kann. Mein Schiff wird mir unheimlich, irgendetwas geht hier vor sich. Nicht, das etwas passieren würde; vielleicht kennst Du das Gefühl ja, wenn da „etwas in der Luft liegt“, man aber nicht greifen kann, was.
Habe schon in alle Ecken geschaut, ob ich versehentlich einen der Robots eingepackt hab, die die Ladung verstauten. Ist aber niemand hier.