Letzte Nacht, alles lag still, traf ich die Angst und die Trägheit. Zuerst war mir nicht klar, was ich sehe; die Angst stand vor mir, wie der Fleck, der auf dem Auge erscheint, wenn man zulange in die Sonne gestarrt hat. Ein bißchen nach links unten verrutscht aber nicht weniger penetrant.
Das dürre Ästchen, das sich Angst nennt und das Lumpen trägt, die einer Vogelscheuche gehörten, war offensichtlich bei dem Kerl in der Schule, der Fotobomben lustig findet. Egal, in welche Richtung man seinen Blick wendet, die Angst steht schon da. Hase und Igel. Und ich bin nicht der Igel.
Sie ist kleiner als ich, hässlich und zerfranst. Aber wenn ich denke, ich kann sie einfach so zerbrechen, hab ich mich getäuscht. So oft ich das versuche, so oft steht er wieder da, dieser fiese, miese Stock.
Sie sagt nichts, sie lacht nicht, sie steht nur da und alleine ihre Anwesenheit macht mich grübeln. Wie kann ich sie loswerden? Ich stülpe eine Glocke drüber, sie geht einfach durch die bronzene Wand. Ich zünde sie an, sie steht auf, wie der Phönix aus der Asche. Ich mache Knoten in die Lumpen und denke, was für ein Schwachsinn.
Im Gegensatz zur Trägheit, die erst sehr schüchtern hinter einer Hecke hervorlugt, ist die Angst kein bißchen mitleiderregend. Ihre Hässlichkeit ist abstoßend, während die der Trägheit irgendwie zum trösten und dazulegen einlädt.
Die Trägheit ist einen Kopf größer als ich, rund, grün und ihr Kopf ist voll mit Pocken. Große Pocken, prall gefüllt mit einer Substanz, die so gut funktioniert, wie der Kleber auf den Fliegenfallen.
Das macht die Trägheit selbst unglücklich, sie will nicht so gemein sein. Sie möchte einfach auf einer Wiese liegen, ein Gänseblümchen zwischen den Lippen, das eine Bein locker über das andere gelegt, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und den Wolken zusehen, die ihrem ewigen Pfad über den Himmel folgen. Aber wenn sie da so liegt, eins mit sich und der Welt, leeren die Pocken sich langsam aus und verschmieren die Sicht, verkleben die Gedanken, ersticken einfach alles. Jede Bewegung fühlt sich an, als stecke man bis zu den Knien im Morast, man ahnt die Depression unter sich lauern. Der Sumpf ist ihre Deckung; ich hab sie nicht gesehen, ihren Griff nach meinen Knöcheln aber umso deutlicher gespürt.
Wie ich so strampel und probiere, dem Sumpf zu entkommen, sehe ich auf einmal den Zorn heranrauschen. Wie ein wüster Tornado saust er geradewegs auf mich zu, packt mich am Schopf und schmatzend gibt der Morast uns frei. Damit ist aber der Zorn nicht zufrieden, er fordert eine Bezahlung, ich soll die Matsche ordentlich treten. Lachend frage ich ihn, ob das sein Ernst sei; das Lachen beleidigt ihn, er richtet sich zu einer drohenden Gewitterfront auf; weil seine Blitze die Wolken aber wunderbar beleuchten, schaut jetzt das Staunen aus meinen Augen, das kindliche, das freudige, das vollkommen ohne Angst. Da legt sich dieselbe in meine Hand; aus dem hässlichen Stock wird ein funkelnder Zauberstab; gebietet dem Zorn Einhalt, der sich verdünnt und nichts als kühle, frische Luft zurück lässt.
Angst verwandelt sich in Mut und Zorn verwandelt sich in Gelassenheit.
Wenn man nur das Lachen nicht vergisst.