Gestern hab ich den ganzen Tag geheult. Jetzt geht es besser. Irgendwie. Ich meine, muss ja. Noch lebe ich und wie Sie gleich lesen können, gibt es sogar Grund zur Hoffnung. Also… die Art von Hoffnung, die man sich mit einem Brecheisen holt.
Das Diagnoseprogramm hat allerdings keine Auffälligkeiten ergeben; nicht zu eruieren, wieso der Computer so ausgetickt ist. Ich lass es nochmal laufen, natürlich.
Durchsuchte also die Fracht nach brauchbarem Zeug. 382 Container, Marke „Fort Knox“; natürlich extraordinär sicher plombiert. In den Ladepapieren steht, dass es sich um den kompletten Hausstand von Prinz Zachir-Mumal handelt, der von Mekadon nach Bainhiri umsiedelt; wohl wegen der Unruhen auf seinem Heimatplaneten. Ich würde auch machen, dass ich da wegkomme; inzwischen liegen 43 der 78 Königreiche im Clinch miteinander und man wartet praktisch stündlich auf denjenigen, der die große Bombe aus dem Keller holt. Wie dem auch sei, der Prinz scheint ein ausgesprochener Freund von Weltraumtechnik zu sein, neben allerhand Artefakten steht da auch was von „Hyperraum Funkanlage“.
Ich starre das Wort an, als würde es sich gleich bewegen. Hyperraum-Funkanlage.
In diesem Moment ist mein Hirn kurz blank. Kein Plan, kein Witz, nichts. Nur dieses brennende, widerliche Gefühl, das sich einstellt, wenn man plötzlich merkt, wie unfassbar knapp man gerade dem absoluten Ende entgangen ist. Wäre dieses Teil nicht an Bord, ich hätte nie wieder irgendjemandem sagen können, wie es ist, allein zwischen den Galaxien aufzutauchen. Ohne Kurs. Ohne Rückweg. Nur subluminal unterwegs, als Fußgängerin im endlosen All. Eine Radiowelle braucht Millionen Jahre bis zur nächsten Galaxie. Das hier war kein „oh Mist, mein Navi spinnt“, das war Game Over mit Sternenpanorama.
Und dann liegt da dieser Container. Hausstand eines dekadenten Prinzen. Und mittendrin: mein Rettungsanker. Ich lache. Laut. Hässlich. Weil ich weiß, was das bedeutet. Ich hätte das Teil selbst an Bord haben sollen, aber wie so viele Dinge, die über Leben und Tod entscheiden, stand es auf der Kostenseite unter „nice to have“. Stattdessen hab ich die Kredits, die ich besaß, in ein topologisches Navigationsarray investiert. Dreißig Kilo mathematischer Hochkultur, die mir bei Sprungberechnungen ein paar Promille Genauigkeit verschaffen sollten. Nutzt mir nur leider nichts, wenn ich gar nicht mehr springen kann.
Wie dem auch sei, jetzt hatte ich zwei Möglichkeiten, entweder nichts tun und sterben, oder eventuell sterben, bei dem Versuch, dieses Schloss zu knacken.
Ich stürzte mich also in den Raumanzug, brach diesen einen Container auf und borge sie aus. Das heißt, wenn ich es schaffe, eine Schnittstelle zu basteln, über die ich Ringenergie einbringen kann.
Aber zuerst:
Damen und Herren, ich begrüße Sie zum Workshop: So wird man zum Einbrecher.
Kapitel eins: knacken Sie elektronische Plomben, ohne dass Ihnen die Fracht um die Ohren fliegt. Dazu müssen Sie äußerst geschickt vorgehen, wenn Sie nicht über die erforderliche Zahlenkombination verfügen; andernfalls macht es erst leise „klick“ und dann laut „bumm“. Man ist sehr rabiat im Umgang mit Dieben, seit sich die Piraterie wie die Pest verbreitet.
Jedenfalls, wenn Sie das Gehäuse abmontieren konnten, ohne dass es zur Detonation kam, haben Sie die Hälfte schon mal geschafft. Dann müssen sie der Sprengvorrichtung per Überbrückung der Kabel lediglich vorgaukeln, das Schloss sei noch zu, während sie es brutal knacken. Handlaser, Stufe vier von vier. Und bitte, nicht am Kabel herum braten oder so. NUR auf den winzigen Punkt rechts unter der Tastatur halten, nur auf den winzigen Punkt. Er versteckt den kleinen Bolzen, der den großen Bolzen anschiebt, welcher es ermöglicht, die Verriegelung zu öffnen. Durch die Hitze schmilzt zwar alles zusammen, aber erst nachdem die Bolzen sich das kleine bißchen ausgedehnt haben, was man braucht. Und bitte achten Sie auch darauf, dass sich das Umfeld nicht mehr als nötig erwärmt. Setzen Sie ein paar kurze, gezielte Schüsse, sonst macht es am Ende doch noch „bumm“. Wenn Sie jedoch alles richtig gemacht haben, knackt es leise, der Riegel gibt nach, und niemand ist explodiert. Sie dürfen sich jetzt offiziell als Mitglied einer sehr kleinen, sehr exklusiven Gruppe betrachten: Menschen, die einen militärisch gesicherten Container geöffnet haben, ohne dabei in ionisierte Moleküle verwandelt zu werden.
Feiern Sie das, mit einer Flasche erianischen Rum. Das ist jedenfalls was ich gerade mache, mittags um 12:00h mit brennenden Händen und zitternden Knien, sitzend vor dem geöffneten Ding und versuchend, nicht drüber nachzudenken, was passiert wäre, wenn ich den Punkt auch nur um einen Millimeter verfehlt hätte, und ja, ich weiß, trinken ist keine Lösung. Mit 56 Umdrehungen pro Flasche können Sie das allerdings getrost ignorieren.